Die Musiktherapie

Kurt

08.08.2025

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie "Musiktherapie" hören? Singen? Musikhören? Das kratzt nicht einmal an der Oberfläche. Mit dem Medium Musik steht uns ein Ausdrucksmittel zur Verfügung, um Inhalte nicht sprachlich gebunden, mitzuteilen, ohne sie einer reflektierenden oder korrigierenden Instanz auszusetzen. Musik kann Trägerin unterschiedlicher Botschaften sein. Sie kann emotionale Inhalte und Botschaften übermitteln, Atmosphären schaffen und Befindlichkeiten aktualisieren. Musik unterstützt bzw. ermöglicht die Kontaktaufnahme und macht Beziehungsgeschehen gestaltbar und sinnlich erfahrbar.

Anwendung von Musiktherapie

Musiktherapie ist der gezielte Einsatz musikalischer Mittel zur Behandlung von physisch und/oder psychisch erkrankten Menschen. Sie ist eine Therapieform, in der die Musik als Ausdrucksmittel verwendet wird. Sie dient zur Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit. Gerade in den Bereichen, in denen Sprache an ihre Grenzen stößt, bietet die Musiktherapie die Möglichkeit, sich nonverbal auszudrücken, Beziehung zu erleben, Ressourcen zu stärken und das Gefühl von Lebendigkeit zu vermitteln. Eine neue Studie legt sogar nahe, dass Musiktherpie eine adäquate Ergänzung zu Psychopharmaka sind.

Musiktherapie kommt in unterschiedlichen Bereichen zum Einsatz:

• Menschen mit psychischen Erkrankungen
• Menschen mit psychosomatischen Erkrankungen
• Patient*innen der Neurorehabilitation
• Patient*innen der Onkologie
• Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsverzögerungen und Störungen des Sozialverhaltens
• Patient*innen der Neonatologie
• Geriatrische Patient*innen
• Menschen in Palliativ- und Hospizeinrichtungen
• Menschen mit geistigen, körperlichen und Mehrfachbehinderungen

Die musiktherapeutische Behandlung hat das Ziel

• Symptome vorzubeugen, sie zu mildern oder zu beseitigen
• Behandlungsbedürftige Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern
• die Entwicklung, Reifung und Gesundheit zu fördern, zu erhalten und wiederherzustellen

Die Ziele sind immer individuell auf die Patient*innen abgestimmt. Hier einige Beispiele:

• Wahrnehmung und Ausdruck von Gefühlen
• Bewusstmachen und Bearbeiten von Konflikten
• Entwicklung neuer Ausdrucksmöglichkeiten
• Erproben von neuen Handlungsstrategien
• Stärkung des Selbstwerts
• Förderung von Kontakt- und Beziehungsfähigkeit
• Unterstützung von Selbst- und Fremdwahrnehmung
• Förderung von Entspannung
• Aktivierung
• Bearbeitung von Ängsten und traumatischen Erlebnissen
• Begleitung und Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung

Das Instrumentarium umfasst sowohl Klang- als auch Rhythmusinstrumente und ist ohne Vorkenntnisse spielbar. Musiktherapie wird als Einzel- und Gruppentherapie angeboten und hat so unterschiedliche Zielsetzungen.

Methoden

In der aktiven Musiktherapie spielen Patient*in und Therapeut*in gemeinsam oder auch einzeln auf einem zur Verfügung stehenden Instrument. Dies bietet die Möglichkeit des Ausdrucks von Befindlichkeiten und Kontakt und Kommunikation über die Musik zu erleben und zu gestalten.

Die rezeptive Musiktherapie beinhaltet das Hören eines ausgewählten Musikstücks oder der*die Tehrapeut*in improvisiert auf einem Instrument für den*die Patient*in. Dies ermöglicht Entspannung und die Wahrnehmung von Gefühlen.

Musiktherapie in der Geriatrie

In der musiktherapeutischen Arbeit mit an Demenz erkrankten Menschen hat besonders das Singen von Liedern zentrale Bedeutung. Trotz der Erkrankung, die sie vieles vergessen lässt, ist die Erinnerung an Lieder aus früheren Lebensabschnitten vorhanden. Meist ist auch noch der Text abrufbar. Dies vermittelt das Gefühl von Sicherheit und Freude und in Gruppensettings entsteht dadurch oft ein Zusammengehörigkeitsgefühl.

In der Musiktherapie darf man immer wieder beobachten, wie Menschen strahlen, wenn sie ein ihnen bekanntes Lied hören, sich geborgen fühlen und ausruhen können in den Klängen der Musik. Für zumindest eine kurze Zeit erleben sie sich sicher in ihrem Tun, fröhlich im gemeinsamen Singen. Die strukturierte Abfolge eines Liedes und die Wiederholungen, die durch den Refrain vorgegeben sind, vermitteln Struktur und Halt.

Nach dem Singen kann es zu Erzählungen über Erlebnisse, Gefühle oder Erfahrungen von früher kommen, die von den Therapeut*innen aufgegriffen werden. Probleme können thematisiert, positive Erlebnisse ins Bewusstsein gerufen und neue Handlungsweisen geübt werden, die dann auch im Alltag Anwendung finden können. Die positiv erlebten Momente in der Musiktherapie können in schwierigen Phasen des Alltags Halt und Stütze geben. In einer Gruppe entstehen auch oft Gespräche zwischen den Gruppenteilnehmer*innen, die begleitet und vertieft werden.

Musiktherapeut*innen versuchen sowohl die Stimmung der einzelnen Bewohner*innen, als auch die der Gruppe wahrzunehmen und aufgrund dieser ein passendes Angebot zu setzen. Von großer Bedeutung ist das Gespräch mit dem Pflegepersonal vor und nach der Therapie, um Informationen der aktuellen Befindlichkeit der Bewohner*innen zu erhalten und gleichzeitig an ein System anzukoppeln, in dem über weite Strecken des Tages Bewohner*innen und Pflegende eine interaktionelle Einheit bilden.

Je nachdem wird ein Lied angeboten, die Bewohner*innen schlagen von sich aus eines vor oder aus der Dynamik und dem Thema, das die Gruppe bringt, entsteht Musik. Die Therapie stellt Instrumente zur Verfügung und diese können bei Interesse und Bedarf verwendet werden. Therapeut*innen werden aktiv auf Bewohner*innen zugehen, die abwesend wirken oder sich nicht aktiv an der Therapie beteiligen. Ein Ansatz den auch Bewegen is leven verfolgt.

Einzeltherapie kann vorwiegend für diejenigen angeboten werden, die bettlägerig sind, in einer Gruppe überfordert wären oder individuelle Zuwendung benötigen, um ihre Bedürfnisse und Regungen wahrzunehmen.

Die Wissenschaft der Musiktherapie

Bereits 1994 wurden Arbeiten publiziert, die Musiktherapie als ernstzu-nehmende Psychotherapieform bewerten.

Die Ergotherapie und die bereits etablierte Psychologie können durch die Musiktherapie ergänzt werden. Musiktherapie unterstützt Menschen mit demenzieller Erkrankung, dabei ihre Ausdrucksfähigkeit zu stärken.

Zusätzlich zur Wirkung die die Musiktherapie mit eigenständigen therapeutischen Interventionen hat, kann eine musiktherapeutische Versorgung in Co-Therapie mit der Physiotherapie ein besseres Ergebnis erzielen das die Physiotherapie alleine.

Jüngere Studien zeigen, dass die Musiktherapie ihre psychotherapeutischen Stärken auch bei Patient*innen mit COPD einsetzen kann. Das macht die Musiktherapie auch in der Long-COVID-Behandlung interessant.

Auch in der Schmerztherapie konnte die Musiktherapie gute Ergebnisse erzielen: Zum einen, weil die Ausdrucksfähigkeit verbessert wurde und weil Studien gezeigt haben, dass Schmerzen durch auditive Stimuli gelindert werden können.

Palliative Care ist – so wie Geriatrie an sich – ein komplexes Feld, das durch die diversen Herangehensweisen (physisch, psychosozial) durch die Musiktherapie gut gestützt wird. Die bereits genannten schmerzlindernden Effekte wurden auch in der Palliative Care nachgewiesen.

Siehe auch

Links

• Musiktherapie im extramuralen Bereich
• Musiktherapie im Wiener Gesundheitsverbund
• Berufsverband der Musiktherapie

Literatur